Bei Volkswagen brennt der Hut. Hier finden Sie die Antworten auf die zehn wichtigsten rechtlichen Fragen.

Die groß angelegten Abgas-Tricks werden den deutschen Auto-Konzern Volkswagen teuer zu stehen kommen. Allein in den USA sind bis Mittwochnacht 246 Klagen gegen die Volkswagen AG und ihre US-Tochterfirma bei verschiedenen Gerichten eingebracht worden. Auch in Österreich wetzen Anwälte, die auf Massenschäden spezialisiert sind, schon die Messer.

Welche VW-Modelle sind mit der manipulierten Software ausgerüstet?

Weltweit sind elf Millionen Fahrzeuge der Baujahre 2009 bis 2015 betroffen, davon in Österreich 363.400. Dabei handelt es sich bis auf wenige Ausnahmen um fast die gesamte Modellpalette vom Beetle über Golf (6er-Reihe) bis hin zur Familienkutsche Touran. Nicht betroffen ist etwa der up!. Bei den Nutzfahrzeugen steckt hingegen die Software nur im Caddy.

Wie geht VW nun konkret vor?

VW schreibt alle betroffenen Fahrzeugbesitzer an. Auf nationalen Internetseiten der einzelnen Marken (VW, Audi, Skoda, Seat) wird die Informationslage laufend aktualisiert. Erst nachdem die Behörden in Deutschland den notwendigen Änderungen zugestimmt haben, können die Autos zum Software-Update in die Werkstätten gerufen werden. Das dürfte nicht vor Jahreswechsel sein.

Muss man bei einer Rückrufaktion mitmachen?

Ja, wenn in den Garantiebedingungen des Autoherstellers vorgeschrieben ist, dass man an solchen Rückrufaktionen teilnehmen muss.

Wer behebt die Mängel und trägt die Kosten?
"Wenn man vom Händler die Gewährleistung einfordert, muss man ihm zuerst Gelegenheit zur Verbesserung bzw. Behebung des Mangels geben. Die Kosten muss der Händler tragen", sagt der Wiener Anwalt Benedikt Wallner, ein Experte für Massenschäden und Sammelklage-Aktionen für geschädigte Anleger, im Gespräch mit dem KURIER. Wenn bei der Verbesserung eine Drosselung der Motorleistung oder ein höherer Treibstoffverbrauch herauskommt, muss der Kunde diese Maßnahmen nicht akzeptieren.

Kann ich eine Rücknahme oder einen Tausch des Fahrzeuges verlangen ?

Wenn die Verbesserung nicht akzeptabel ist und die Fahrzeugleistung verändert wird, kann der Kunde innerhalb der ersten zwei Jahre ab Übergabe des Fahrzeuges eine Wandlung, sprich einen Tausch des Fahrzeuges, verlangen.

Gibt es weitere rechtlichen Möglichkeiten?

"Wenn man einen Neuwagen gekauft hat oder das Fahrzeug noch nicht länger als zwei Jahre besitzt, gilt die zweijährige Gewährleistung", sagt der Anwalt. "Mit der Begründung, man hätte das Fahrzeug nicht oder nur zu einem niedrigeren Preis gekauft, wenn man von den Abgas-Tricks gewusst hätte, kann man eine Preisminderung verlangen."

Was ist, wenn das Auto älter als zwei Jahre ist?

"Wenn der Kunde das Auto nicht länger als drei Jahre hat, dann kann er den Kaufvertrag anfechten, weil er über die Abgaswerte in einen Irrtum geführt wurde", sagt Wallner. "Es kommt zur Rückrufaktion und man bringt das Auto zum Händler. Der baut irgendeine Drosselung ein, welche die Abgase reduziert und damit die Motorleistung. Wenn man das Auto doch behalten will, hat man Anspruch auf eine Preisminderung."

Kann ich den Kaufvertrag auch bei älteren Autos noch anfechten?

"Ja, wenn der Irrtum wesentliche Produkteigenschaften betrifft und vorsätzlich herbeigeführt wurde", sagt der Experte. "VW hat zugegeben, die Abgaswerte manipuliert zu haben. Man kann nicht fahrlässig manipulieren, sondern nur vorsätzlich."

Kann ich von VW Schadenersatz verlangen?

Ja, der Schadenersatzanspruch beginnt mit Erkennbarkeit des Schadens durch die Kunden, sprich mit Platzen des Abgas-Skandals ab 20. September 2015. Ab da hat der Kunde drei Jahre Zeit, den Schaden einzuklagen. Vor allem bei älteren Fahrzeugen, bei denen die Gewährleistungsfrist abgelaufen und der Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages verjährt ist, werden nur Schadenersatzklagen zum rechtlich Ziel führen. Wallner: "Die Kunden können von VW deshalb Schadenersatz verlangen, weil VW ihnen bereits vor dem Kauf sagen hätte müssen, wir haben beim Abgas getrickst".

Verliert das Auto durch Abgas-Tricks an Wert?

"Sicher, weil sich der Wert im Vertrauen des Marktes widerspiegelt und das Vertrauen empfindlich gestört ist", sagt der Anwalt. "Da jeder Gebrauchtwagen-Käufer mit Maßnahmen von Behörden und des Herstellers rechnen muss, kann man das Kfz jetzt schwerer verkaufen als sonst."

Quelle: KURIER, 01.10.2015