LebensversicherungNicht alle Verfahren werden unterbrochen

Ende Juli 2019 hat das Handelsgericht Wien mit Urteil (nicht rk.) unserer Klage überwiegend stattgegeben:

Eine fehlerhafte Belehrung über das Rücktrittsrecht führt zu einem unbefristeten Rücktrittsrecht. Der Anspruch kann daher nicht verjähren. Die Konsequenz ist, dass die Versicherung dem Kläger, der bis Ende 2018 zurückgetreten ist, nicht bloß den Rückkaufswert, sondern sämtliche geleisteten Prämien (verzinst) zurückzuzahlen hat, nur die von der Versicherung an den Staat abzuführende Versicherungssteuer nicht.

Zinsen wurden allerdings nicht zur Gänze zugesprochen. Dagegen werden wir wohl berufen müssen. Denn das widerspricht den Schlussanträgen der Generalanwältin zur fünften Vorlagefrage in der Rechtssache C‑479/18 (vgl. Rz 96):

Das Handeslgericht Wien beruft sich noch auf § 1480 ABGB, wonach „Forderungen von rückständigen jährlichen Leistungen, insbesondere Zinsen [ … ], in drei Jahren [erlöschen]." Ansprüche können aber nicht verjähren, bevor sie entstanden sind, und auch nicht, bevor der Berechtigte von ihnen Kenntnis erlangt hat. Die Verjährung kann also erst ab Ausübung des Rücktrittsrechts zu laufen beginnen. Insbesondere kann das unionsrechtlich garantierte Rücktrittsrecht nicht effektiv ausgeübt werden, wenn die daraus resultierenden Ansprüche bereits schwinden, bevor der Versicherungsnehmer überhaupt über sein Recht belehrt wurde. Daher steht Unionsrecht der nationalen Regelung des § 1480 ABGB entgegen.


Neue Rechtslage ab 2019

Die bereits seit einiger Zeit von Konsumentenschützern heiß diskutierte Gesetzesänderung in der Causa „Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag“ wurde von der Bundesregierung beschlossen und ist seit dem 01.01.2019 geltendes Recht.

Was sieht die Novelle des Versicherungsvertragsgesetzes Neues für die Versicherungsnehmer vor?

Die wohl wichtigste Änderung ist, dass der Versicherungsnehmer nicht wie bisher bei mangelnder Belehrung von der Lebensversicherung zurücktreten kann und sämtliche eingezahlten Prämien erstattet werden.

Die neue, versicherungsfreundliche (und damit verbraucherfeindliche) Regelung unterscheidet vielmehr wie folgt:

  • Erfolgt die Rücktrittserklärung im ersten Jahr nach Vertragsabschluss, ist die gesamte Prämie einschließlich der Abschlusskosten zurückzuerstatten, aber ohne Zinsen.
  • Erfolgt der Rücktritt ab dem zweiten und bis zum Ende des fünften Jahres, wird der Rückkaufswert ohne Abschlusskosten und ohne Stornogebühren ausbezahlt.
  • Ab dem sechsten Jahr soll nur noch der Rückkaufswert abzüglich Stornogebühren erstattet werden; etwas, das Sie auch so erreichen könnten. Mithin bleibt eine fehlerhafte Belehrung nach Ablauf von fünf Jahren völlig sanktionslos!

Diese Bestimmung regelt sowohl künftige Verträge als auch Altverträge, wirkt damit in gewisser Weise also zurück! Sie können daher bei einer fehlerhaften oder gänzlich ausgebliebenen Rücktrittsbelehrung zwar nach wie vor den Rücktritt vom Vertrag erklären. Jedoch ist dieser Rücktritt dann zahnlos, weil man aufgrund der neuen Rechtslage bei einem Spätrücktritt nur noch den Rückkaufswert erhält.

Hält das versicherungsfreundliche Gesetz?

Obwohl die Regierungsparteien selbst, die die neue Regelung beschlossen haben, diese Bestimmung als sehr konsumentenfreundlich bezeichnen, wird die Novelle von Konsumentenschützern als direkte Umsetzung der Wünsche der Versicherungswirtschaft kritisiert. Der EuGH wird darüber früher oder später zu entscheiden haben:

Denn es bestehen Bedenken, ob das neue Gesetz mit dem  Unionsrecht konform geht, zumal die neue Regelung im Widerspruch zum unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz stehen könnte.

Daher steht das Gesetz nicht auf sicheren Beinen, zumal der EuGH die Bestimmung wieder kippen könnte. Auf jeden Fall wird es in dieser Sache noch spannend werden.


Rücktritt von Lebensversicherung – Kostenfreier Erstkontakt

Klassische und fondsgebundene Lebensversicherungen entwickeln sich vielfach nicht wie versprochen oder erwartet. Immer mehr Urteile, auch in Österreich, zeigen aber einen Ausweg:

Eine fehlende oder falsche Rücktrittsbelehrung zu Vertragsbeginn berechtigt Sie auch heute noch zum Rücktritt und damit zum Widerruf des gesamten Versicherungsvertrages. Dies sogar dann, wenn der Vertrag inzwischen bereits geendet haben sollte: Dann sind alle einbezahlten Beiträge und Kosten samt 4% Zinsen an Sie zurück zu zahlen, nicht nur der meist niedrige "Rückkaufswert".

Nach Schätzungen sind mehr als die Hälfte aller Rücktrittsbelehrungen ab 1994 fehlerhaft - Ihre auch?

Bei vielen unserer Klienten ergibt die Prüfung bereits eine fehlerhafte Rücktrittsbelehrung und damit das Recht auf viel mehr Geld als angenommen (gilt aber nicht für reine Ablebens- oder Risikoversicherungen). Wir können uns auch Ihren Einzelfall näher ansehen - der vom VKI durchgeführten Sammelaktion kann man sich inzwischen nicht mehr anschliessen - und gegebenenfalls Ihre Ansprüche sofort und individuell geltend machen. Aufgrund einer möglichen Gesetzesänderung (http://www.parlament.gv.n2g12.com/l/338856408/c/0-15btl-egls42-w0q) ist allerdings Eile geboten.

Bei Interesse kontaktieren Sie uns gerne unverbindlich und kostenfrei über unser Kontaktformular.