Abgasskandal: Ansprüche prüfenVom Abgasskandal betroffen?

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Am 21.03.2023 hat der EuGH die lange erwartete Rechtssache C-100/21 so entschieden:

Laut EuGH genügt schon fahrlässiges Handeln für Schadenersatz!

Rz 57: Mit der Software wurde ein Thermofenster eingerichtet mittels dessen die Abgasrückführung nur dann voll wirksam ist, wenn die Außentemperatur nicht unter eine bestimmte Schwelle absinkt. Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, dass die Abgasrückführrate und damit die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems bereits ab einer Außentemperatur von über 0° C verringert werde, d. h. einer Temperatur, die zu den Bedingungen zähle, die im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten seien.

Rz 63: Das Verbot würde ausgehöhlt und jeder praktischen Wirksamkeit beraubt, wenn es zulässig wäre, dass die Hersteller Fahrzeuge allein deshalb mit solchen Abschalteinrichtungen ausstatten, um den Motor vor Verschmutzung und Verschleiß zu schützen.

Rz 65: Doch würde eine Abschalteinrichtung, die unter normalen Betriebsbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, damit der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt und der sichere Betrieb des Fahrzeugs gewährleistet wäre, offensichtlich dem mit dieser Verordnung verfolgten Ziel, von dem diese Bestimmung nur unter ganz besonderen Umständen eine Abweichung zulässt, zuwiderlaufen und zu einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Grundsatzes der Begrenzung der NOx-Emissionen von Fahrzeugen führen.

Rz 66: Der Gerichtshof ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass eine solche Abschalteinrichtung nicht notwendig ist. Ließe man zu, dass eine solche Abschalteinrichtung unter die vorgesehene Ausnahme fallen könnte, würde dies nämlich dazu führen, dass diese Ausnahme während des überwiegenden Teils eines Jahres unter den im Unionsgebiet herrschenden tatsächlichen Fahrbedingungen anwendbar wäre, so dass der aufgestellte Grundsatz des Verbots solcher Abschalteinrichtungen in der Praxis weniger häufig zur Anwendung kommen könnte als diese Ausnahme.

Rz 71: Es ist daher davon auszugehen, dass diese Bestimmung ebenso wie die Verordnung, zu der sie gehört, ein allgemeines Ziel verfolgt, das darin besteht, ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen.

Rz 81: Wenn ein individueller Käufer ein Fahrzeug erwirbt, das zur Serie eines genehmigten Fahrzeugtyps gehört und somit mit einer Übereinstimmungsbescheinigung versehen ist, kann er somit vernünftigerweise erwarten, dass die Verordnung Nr. 715/2007 und insbesondere deren Art. 5 bei diesem Fahrzeug eingehalten werden.

Rz 83: Es ist indes nicht ausgeschlossen, dass ein Fahrzeugtyp, der über eine EG-Typgenehmigung verfügt, mit der dieses Fahrzeug auf der Straße verwendet werden kann, ursprünglich von der Typgenehmigungsbehörde genehmigt worden sein kann, ohne dass ihr das Vorhandensein der genannten Software offenbart wurde.

Rz 84: Infolgedessen kann die nach Erteilung der EG-Typgenehmigung für dieses Fahrzeug entdeckte Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung, mit der ein Kraftfahrzeug ausgerüstet ist, die Gültigkeit dieser Genehmigung und daran anschließend die der Übereinstimmungsbescheinigung, mit der bescheinigt werden soll, dass dieses Fahrzeug, das zur Baureihe des genehmigten Typs gehört, zum Zeitpunkt seiner Herstellung allen Rechtsakten entsprach, in Frage stellen. Diese Unzulässigkeit kann somit u. a. eine Unsicherheit hinsichtlich der Möglichkeit hervorrufen, das Fahrzeug anzumelden, zu verkaufen oder in Betrieb zu nehmen, und letztlich beim Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Fahrzeugs zu einem Schaden führen.

Rz 85: Neben allgemeinen Rechtsgütern sind auch die die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller geschützt, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist.

Rz 93: Allerdings stünden nationale Rechtsvorschriften, die es dem Käufer eines Kraftfahrzeugs praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, einen angemessenen Ersatz des Schadens zu erhalten, der ihm durch den Verstoß des Herstellers dieses Fahrzeugs gegen das Verbot entstanden ist, nicht mit dem Grundsatz der Effektivität in Einklang.

Rz 96: Dementsprechend ist das Unionsrecht dahin auszulegen, dass es Sache des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats ist, die Vorschriften über den Ersatz des Schadens festzulegen, der dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestatteten Fahrzeugs tatsächlich entstanden ist, vorausgesetzt, dass dieser Ersatz in einem angemessenen Verhältnis zum entstandenen Schaden steht.