März 2022

Nun hat auch der Oberste Gerichtshof entschieden (9 Ob 82/21f vom 27. Januar, zugestellt am 25. März 2022):

Ohne nähere Überprüfung schließt sich der OGH der mit untenstehendem Entscheid implizit ausgedrückten Rechtsmeinung des VfGH an, in die beiden Grundrechte auf Privatsphäre sowie Datenschutz werde mit der Installation von Smart Metern nicht eingegriffen. Daraus folgert er, die Frage, ob es in der Opt-Out-Konfiguration überhaupt zu einer Datenspeicherung komme, stelle sich nicht (Rz 10). Alleine der Umstand, dass die Einführung der Smart Meter zufolge der Kritik des Rechnungshofs unwirtschaftlich sei, vermöchte einen Eingriff in Art 8 EMRK nicht zu begründen (Rz 11). 

Ein weiterer innerstaatlicher Rechtszug gegen diese Entscheidung besteht natürlich nicht mehr.

Dies ist die erste Entscheidung der Obersten Gerichtshofs zu Smart Metern, an der sich aller Voraussicht nach folgende Entscheidungen in anderen Fällen, auch anderer Senate, orientieren werden. Die Anfechtung der Smart-Meter-Ausrollung in Österreich muss daher auf allen denkbaren Ebenen (Regulierungsbehörde, Verfassungsgerichtshof und ordentliche Gerichte) als gescheitert betrachtet werden.

Wir nehmen die Rechtslage zur Kenntnis und stellen neuen Klienten unsere Vertretungshandlungen nicht länger zur Verfügung.

Oktober 2021

Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden (V 178/2021-12 vom 30. September, zugestellt am 08. Oktober 2021): 

In der Opt-Out-Konfiguration gemäß § 1 Abs. 6 IME-VO, in der ein (intelligentes) Messgerät nur die Funktion eines (digitalen) Standardstromzählers erfüllt, wird den berechtigten Interessen an einer Auslesung und Abgrenzung des jährlichen Stromverbrauchs im Hinblick auf die durch § 1 DSG bzw. Art. 8 EMRK geschützten (personenbezogenen) Daten der Antragstellerin in verhältnismäßiger Weise Rechnung getragen.

Damit hat sich also keine Gesetzwidrigkeit der IME-VO herausgestellt.

Oktober 2021

Das OLG Wien (4 R 32/21m) meint, Smart Meter in der Opt-out-Konfiguration fielen gar nicht unter den Begriff "Datenverarbeitung", wie sie die DSGVO schützt:

Deaktivierte Funktionen können nicht zu einer „Datenverarbeitung“ führen. Ihr passives Vorhandensein allein greift mangels eines Zugriffs auf irgendwelche Daten mittels dieser Funktionen (hier vor allem die Viertelstunden-, Tages- und Monatsverbrauchswerte) weder in das Grundrecht auf Datenschutz (Art 8 Grundrechte-Charta) noch in jenes auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 7 Grundrechte-Charta; Art 8 Abs 1 EMRK) ein. [...] Das Eingriffsziel liegt [...] in der Sicherung des wirtschaftlichen Wohls des Landes im Sinn des Art 8 Abs 2 EMRK. [....] Die Klägerin hat daher den Einbau eines elektronischen/digitalen Messgeräts zu dulden.

Mit anderen Worten: Keiner der betroffenen 5 Millionen österreichische Haushalte könne dagegen etwas machen.

Aber ob das wirklich so ist, wird demnächst erst der Oberste Gerichtshof entscheiden. Denn das Berufungsgericht erklärt die ordentliche Revision für zulässig, weil den zu beantwortenden Rechtsfragen im Hinblick auf die verordneten Roll-out-Vorgaben (§ 1 Abs 1 IME-VO) über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt.

Juli 2021

Also gehen wir doch diesen „anderen zumutbaren Weg", klagen diesmal den Anspruch zivilrechtlich ein und verbinden unsere Berufung mit einem „Parteiantrag auf Normenkontrolle durch den VfGH“. Das OLG Graz unterbricht daraufhin das Berufungsverfahren bis zu dessen Erledigung. (Anm.: Über den beim Verfassungsgerichtshof zu V 178/2021 erhobenen Parteiantrag auf Normenkontrolle ist noch nicht entschieden). Das ist sinnvoll, denn wenn uns der VfGH Recht gibt, muss das Urteil neu geschrieben werden.

Dezember 2020

Über die beantragte Aufhebung des § 1 Abs. 6 IME-VO entscheidet der VfGH nicht.

Warum nicht?

Weil es einen „anderen zumutbaren Weg gibt, die Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen“.

Welchen?

Als Partei einer vor einem ordentlichen Gericht in erster Instanz anhängigen oder von diesem entschiedenen Rechtssache hätte die Antragstellerin die Möglichkeit, durch Anregung einer amtswegigen Antragstellung bzw. mittels Parteiantrages ihre Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. (Heisst, übersetzt, für unsere Mandantin, die nämlich bisher keine Klage gegen ihren Netzbetreiber eingebracht hat und folglich nicht „Partei einer vor einem ordentlichen Gericht in erster Instanz anhängigen oder von diesem entschiedenen Rechtssache“ ist, dass sie eben zu einer werden und die Sache vor den Zivilgerichten einklagen muss!)

Dezember 2020, VfGH (Zl. V 532/2020) stellt uns die Äusserung der Bundesministerin für Energie ua. vom 23. November zu. Aus dem Inhalt:

„Im Zuge der Ausrollung wurde deutlich, dass der durch die Formulierung des § 83 Abs. 1 indizierte Ermessensspielraum der Netzbetreiber (arg.: '[…] den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen') zu Rechtsunsicherheiten führte. Verschärft wurden diese Unsicherheiten durch die Erläuterungen zu § 83 Abs. 1, denen zufolge die Netzbetreiber einem Opt-Out-Wunsch zu entsprechen haben, solange sie ihre Ausrollungsverpflichtung von 95 % erfüllen [...].“

Die angefochtene IME-VO sollte diese Rechtsunsicherheiten beseitigen. Wie sie das gemacht hat?

„Zum anderen wurde [...] in § 1 Abs. 6 IME-VO klargestellt, dass Netzbetreiber einem vom Endverbraucher bzw. von der Endverbraucherin geäußerten Opt-Out-Wunsch zu entsprechen haben und sich das Opt-Out gegen die Funktionalitäten eines intelligenten Messgerätes richtet.“

Also, die angefochtene Verordnung stellt etwas klar, was das Gesetz, auf dem sie beruht, nicht etwa unklar gelassen, sondern klar, aber ganz anders definiert hatte, nämlich: „kein intelligentes Messgerät zu erhalten“. Sodann: Die Verordnung (erst) interpretiert den vom Gesetz als einfache Erklärung der Endverbraucher gedachten Opt-Out-Wunsch, nämlich dahingehend, er würde sich (nur) gegen die Funktionalitäten eines intelligenten Messgerätes richten. Das ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar und erinnert an den Ausspruch eines unserer ersten Betroffenen: „Da stellt man eine Videokamera in die Wohnung und sagt: ,Ich schau eh nicht hin.‘“

„Für den Fall der Aufhebung stellt die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle gemäß Art. 139 Abs. 5 B-VG für das Außerkrafttreten eine Frist von 18 Monaten bestimmen. Diese Frist erscheint erforderlich, weil anzunehmen ist, dass gesetzliche Änderungen notwendig wären.“

Oktober 2020, VfGH Fordert die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie auf,

innerhalb von vier Wochen eine schriftliche Äußerung zu unserem Individualantrag zu erstatten und innerhalb derselben Frist alle auf die angefochtene Verordnung Bezug habenden Akten (vollständig, geordnet und im Original sowie unter Anschluss eines Aktenverzeichnisses) vorzulegen und mitzuteilen, ob und gegebenenfalls welche Akten oder Aktenteile von der sonst den Beteiligten zustehenden Akteneinsicht ausgenommen sind.

September 2020, Individualantrag beim Verfassungsgerichtshof eingebracht,

gestützt auf Art. 139 Abs. 1 B-VG, gerichtet darauf, § 1 Abs. 6 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend, mit der die Einführung intelligenter Messgeräte festgelegt wird (Intelligente Messgeräte-Einführungsverordnung – IME-VO), in eventu die IME-VO zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.

Juli 2020, Musterklagen eingebracht

Wir haben einige weitere Klagen bei unterschiedlichen Gerichten eingebracht. Damit wird u.a. die Rechtslage ausgetestet; Urteile gibt es bislang nicht. Bis zum Vorliegen erster Urteile sammeln wir kostenlos weitere Interessenten, um dann - je nach Ausgang der Verfahren - zu entscheiden, wie sie am sinnvollsten vertreten werden können.

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