Sollte das Amtshaftungsurteil halten, muss die Republik Österreich Tausenden Amis-Geschädigten rund 80 Millionen Euro samt Zinsen zahlen.

Von dem am Mittwoch bekannt gewordenen (noch nicht rechtskräftigen) Urteil, das die Republik Österreich für die Schäden der Amis-Anleger haften lässt, können sich wenigstens 75 Prozent der rund 15.000 Geschädigten etwas versprechen. Davon gehen zumindest deren Anwälte Wallner, Köb, Kraft und Aigner aus.

Obwohl es auch einen Anleger gibt, der eine Million Euro investiert (und verloren) hat, betrifft das überwiegend sogenannte kleine Leute: Tischler; Polizisten; eine philippinische Krankenschwester, die 70.000 Euro Kredit aufgenommen und in Amis-Produkte gesteckt hat – jetzt sitzt sie auf 180.000 Euro Schulden; eine Witwe, die nach dem Tod ihres Mannes die Lebensversicherungssumme für die Ausbildung der Kinder ansparen wollte; eine Mutter, die ihre Ersparnisse für die Betreuung ihres behinderten Sohnes auf die „hohe Kante“ legen wollte.
Das Geld, ihr Geld, wurde von den nun angeklagten Amis-Managern umgeleitet, zum Teil in die eigene Tasche, zum Teil in jene der Makler, die den Leuten die Veranlagungen aufgeschwatzt und dafür fette Provisionen kassiert haben. Der für die Aufarbeitung der Affäre eingesetzte Staatskommissär errechnetet einen Gesamtschaden von 142 Millionen Euro (62 Millionen davon wertet der Staatsanwalt als Betrugssumme), 68 Millionen Euro konnten in Luxemburg sichergestellt und sollen 2008 in mehreren Tranchen an die Geschädigten ausgezahlt werden. Zieht man die Bearbeitungsgebühren ab, bleibt ein Rest von rund 80 Millionen Euro (plus Zinsen), für den bei Rechtskraft des Amtshaftungsurteils die Republik aufkommen müsste. Das ist (zufällig?) jener Betrag, den die Regierung im Budget bereits für eine allfällige Amtshaftung „zur Seite gelegt“ hat.

Erkämpft hat das Urteil der Anwalt Benedikt Wallner in einem Musterprozess. Zum ersten Mal stellt ein Gericht fest, dass die noch junge Finanzmarktaufsicht (FMA) bzw. deren Vorläufer, die Bundeswertpapieraufsicht, ihrer Pflicht zur Kontrolle nicht nachgekommen sind. Die Richterin Anneliese Kodek vom Landesgericht für Zivilrechtssachen hat dafür 10.000 Dokumentenseiten studiert. Am Ende war klar: Die Prüfer haben sich mit den von den Geprüften erteilten Auskünften zufrieden gegeben. So bemängelte sie ein bestimmtes (Treuhand-)Konto, auf das Geld von Amis-Kunden eingezahlt worden war, auf das aber die Amis-Manager Zugriff hatten (was in Österreich nur Banken dürfen). Amis löste daraufhin das Konto auf und schickte den Prüfern einen Kontoauszug mit Kontostand Null. Diese waren beruhigt und fragten nicht nach, wo denn das Geld (in dem Fall immerhin 50.000 Euro) geblieben ist.

Aufgedeckt haben die Affäre weder unruhig gewordene Anleger noch die FMA, die Amis 2002 noch geprüft hatte. Ehemalige – im Unfrieden geschiedene – Amis-Vorstände machten die FMA auf Unregelmäßigkeiten aufmerksam, selbst dann geschah lange nichts. Büßen soll laut Urteil, gegen das die Finanzprokuratur Rekurs einlegt, der Staat.Montag beginnt der Amis-Strafprozess. Die Hauptangeklagten sind geständig, den Schaden anerkannt haben sie bisher nicht.

Quelle: KURIER / Seite 14 / 07.12.2007 / von Ricardo Peyerl