Der Strukturvertrieb AWD wurde in erster Instanz wegen falscher Beratung beim Verkauf von Immofinanz-Aktien zur Leistung von Schadenersatz verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der AWD wird berufen.

Für den Strukturvertrieb AWD wird es in Sachen Immofinanz immer enger. Mehr als 1800 Beschwerden über angeblich mangelhafte Beratung durch AWD beimVerkauf von Immofinanz-Aktien sind seit Ende Oktober beim Verein für Konsumenteninformation (VKI) eingelangt.

Und nun gibt es auch einen ersten Entscheid des Bezirksgerichts für Handelssachen in Wien, das den Strukturvertrieb wegen falscher Beratung zur Leistung von Schadenersatz für ein Immofinanz-Geschäft verurteilt.
Ein AWD-Berater hatte einem jahrelangen Freund 2006 die Immofinanz-Papiere als "todsichere" Anlage empfohlen. Eine Aufklärung über die Risiken eines Aktienengagements habe es nicht gegeben, so das Gericht, es sei nur darauf hingewiesen worden, dass sich die Rendite ändern könne. Zudem habe der Berater damit geworben, dass er und seine Familie auch Immofinanz-Aktien besäßen.

Der Freund, der ein "Sparprodukt" für einen Anlagezeitraum von bis zu drei Jahren kaufen wollte, erwarb um 1500 Euro Immofinanzpapiere und schloss einen monatlichen Ansparplan über 150 Euro ab, den er später auf 200 Euro erhöhte. Das Ausfüllen einer Beraternotiz wurde laut Gericht von beiden "als eine Art bloßer Formalakt" betrachtet. Als die Aktien an Wert verloren, stellte der Immofinanz-Käufer die Zahlungen ein, verkaufte die Immobilien-Papiere und klagte den AWD auf Erstattung des Differenzbetrags.

Laut Gericht ist der Anlageberater zur Aufklärung seiner Kunden über die Risikoträchtigkeit der in Aussicht genommenen Anlage verpflichtet. "Stellt er etwa ein typisches Risikogeschäft als sichere Anlageform hin und veranlasst er dadurch den Anleger zur Zeichnung einer solchen Beteiligung, dann haftet er selbst dann, wenn - wie vorliegend - auch er von der Seriosität des Anlagegeschäftes überzeugt gewesen sein sollte", stellt das Gericht fest. Weiters dürften Berater auch nicht "besonderes eigenes Fachwissen" aus dem Beruf des Klägers (in diesem Fall eines Unicef-Beraters und früheren Volkswirtschaftslehrers) ableiten. "Das Gesetz setzt objektive Beratung voraus. Konsumenten brauchen keine Vermittler, die von der Finanzindustrie bezahlt werden", sagte Benedikt Wallner, der Anwalt des Klägers, dem Standard. Der AWD sieht laut einer Sprecherin die noch nicht rechtskräftige Gerichtsentscheidung als Einzelurteil, das kein Präjudiz für weitere Fälle darstelle und wird gegen das Urteil berufen.

Zudem prüfe der AWD Klagen gegen Immofinanz und Immoeast. Es werde untersucht, ob Immofinanz und Immoeast den AWD über das Ausmaß der Krise bewusst im Unklaren gelassen hätten.

Für VKI-Rechtsexperte Peter Kolba ist das Urteil "sehr zu begrüßen", da es sich um einen "ganz typischen Fall" handle. "so sind auch die Beschwerden, die bei uns eingetroffen sind. Man braucht nur das Wort 'todsicher' durch 'mündelsicher' ersetzen" . Der AWD weist in seiner Aussendung die Anschuldigungen des VKI zurück, Immofinanz und Immoeast-Aktien als mündelsicher beworben zu haben. Man kenne zudem erst zehn der 1800 vom VKI gesammelten Beschwerdefälle.

Quelle: DER STANDARD / Seite 19 / 29./30.11.2008 / von Gabriele Kolar