Nicht nur in Deutschland, auch in Österreich wurden Schiffsbeteiligungen einst von heimischen Banken und den deutschen Emittenten selbst intensiv beworben. Die Risiken und die Höhe der Provisionen wurde dabei verschwiegen, behaupten viele Anleger und ziehen nun vor Gericht.

von Thomas Müller

Als im Binnenland Österreich im Frühjahr 2012 erstmals Hochseefrachtschiffe auch durch die Titelseiten der Tageszeitungen kreuzten, hatte das eher mit einem Zufall zu tun. Seit Wochen war FPÖ-Nationalratspräsident Martin Graf mit seinen Aktivitäten bei der Privatstiftung Gertrud Meschar in den überwiegend negativen Schlagzeilen. Als kuriose Draufgabe wurde dann bekannt, dass die Stiftung auch Anteile an einem geschlossenen Fonds für eine Flotte von Kühlschiffen erworben hatte. 2007 wurden nämlich andere Wertpapiere vom Stiftungsvorstand verkauft und ein Teil des Erlöses in den Schiffsfonds investiert. Die in Aussicht gestellten Ausschüttungen blieben allerdings bald aus. Mehr noch: Zuletzt wurden die Anleger Ende Oktober aufgefordert, zu entscheiden, ob sie das Kapital des Fonds um 15 Prozent aufstocken wollen, um einen finanziellen Engpass zu verhindern.

So mancher wird sich gewundert haben, wie Martin Graf und seine FPÖ-Freunde im Stiftungsrat auf die exotisch anmutende Idee gekommen waren, ausgerechnet in Kühlschiffe (sogenannte Reefer) zu investieren, die vor allem zum Transport von Bananen aus Übersee verwendet werden. Auf den zweiten Blick zeigt sich aber, dass die Schiffsfonds in den Jahren vor der Finanzkrise von österreichischen Banken gemeinsam mit den deutschen Emittenten intensiv vermarktet worden waren. Beim „MPC Reefer Flottenfonds 2" etwa, an dem sich auch die Meschar-Stiftung beteiligt hatte, waren die Raiffeisenbanken für das Marketing in Österreich zuständig. Hochglanzbroschüren mit schönen Bildern und Promotion-Veranstaltungen mit Buffet machten Stimmung. Selbst in die Kundenzeitung der Raiffeisenbank Loosdorf (NÖ) schaffte es die „Coole Investmentchance". So wie die Emittentin Münchmayer Petersen Capital (MPC) waren auch andere große Namen aus Deutschland wie HCI, König & Cie. oder Dr. Peters in Österreich aktiv und unterhielten teilweise sogar eigene Büros in Wien. Wie viel Geld aus Österreich derzeit auf hoher See ist, ist nicht genau bekannt. Nach Schätzungen von MPC Austria-Geschäftsführer Kurt Cowling haben rund 16.000 österreichische Anleger über 600 Millionen Euro in seine Fonds gesteckt.

Einige davon wurden sogar eigens für den österreichischen Markt lanciert. Zu diesen gehörte der MPC-Fonds des Containerschiffs MS Merkur Sky, der heuer Ende Juni Insolvenz anmelden musste. Ein Sanierungskonzept konnte die Anleger nicht davon überzeugen, weitere 2,7 Millionen Euro an erforderlichem Kapital bereitzustellen, um die Insolvenz zu verhindern. Die meisten nahmen offenbar lieber den herben Verlust des investierten Kapitals von 14 Millionen Euro hin, als weiteres Geld in das Abenteuer Schifffahrt zu stecken.

Bei der Auflage des Fonds im Jahr 2006 waren freilich noch andere Töne zu hören. 195 Prozent Gesamtmittelrückfluss binnen elf Jahren stellte MPC in Aussicht, der damalige Österreich-Vorstand Peter Maierhofer sprach von „planbaren Renditen bei konservativer Kalkulation".

Dass die Schiffstransport-Volumina auch weiterhin jährlich um zehn Prozent zulegen werden, galt bei den Fondshäusern de facto als Tatsache. Mit dem einst sprudelnden Geld der Anleger wurden aber nicht nur vorhandene Schiffe wie die MS Merkur Sky von den Fonds gekauft, sondern auch der Bau von neuen Schiffen finanziert. Das Ergebnis war ein Überangebot und ein Absturz der Charterraten, die für Transporte bezahlt werden. Daher konnte und könnte auch die wirtschaftliche Erholung nach dem Beinahe-Infarkt an den Börsen von 2008 zu keiner Entspannung bei den Schiffsfonds führen.

Tausende deutsche Kläger

In Deutschland, wo die mit Abstand meisten maritimen Fonds aufgelegt wurden, sorgen diese schon seit längerem für Berichterstattung auf den Wirtschaftsseiten. 52 Milliarden Euro soll das Gesamtvolumen hier betragen und ist damit auf Rang 2 hinter den Immobilienfonds mit 72 Milliarden Euro, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die oben genannten Problem-Fonds sind allerdings keine Einzelfälle. Experten schätzen, dass etwa 800 Fonds finanzielle Schwierigkeiten haben, das sind mehr als 20 Prozent der deutschen Schiffe. Sie sind von einer Insolvenz bedroht oder schon in selbige geschlittert. Spätestens dann schlägt die Stunde der Rechtsanwaltskanzleien, und in Deutschland wollen bereits Tausende Anleger den Verlust ihres Ersparten nicht so einfach hinnehmen und wandten sich an die Gerichte.

Einige deutsche Anleger des MPC Reefer Flottenfonds 2 vertritt die Passauer Anwältin Bettina Wittmann. „Meiner Erfahrung zufolge wurden diese Schiffsbeteiligungen von den Anlageberatern bzw. von den  Kreditinstituten als sichere Kapitalanlage zur Zeichnung angeboten, obwohl eine Schiffsbeteiligung niemals als zur Altersvorsorge geeignet angepriesen werden darf", so ihre Kritik.

Ihr Ansatz bei den bisher eingebrachten Klagen sind jedoch die sogenannten „Weichkosten", also jene Kosten, die für Vertriebsprovisionen anfallen: „In diesem Fall waren es ungefähr 26 Prozent, die im Beratungsgespräch nicht offen gelegt wurden, obwohl das nach deutscher Rechtsprechung ab 15 Prozent verpflichtend gewesen wäre." Wittmann verweist aber auch auf die Verantwortung der Emittentin MPC, denn im Auflagejahr 2007 sei sich die Transport-Branche bereits darüber weitgehend einig gewesen, dass die Kühlschiffe immer mehr von den praktikableren Kühlcontainern verdrängt werden.

Anlegern, die sich damals falsch beraten fühlen, rät die Anwältin, nicht zu lange mit rechtlichen Schritten zu zögern. Denn mit den ersten schlechten Nachrichten über den Fonds beginnt die Verjährungsfrist von drei Jahren zu laufen. Spätestens wenn Ausschüttungen ausbleiben oder Kapitalerhöhungen gefordert werden, muss angenommen werden, dass sich auch der Laie der wahren Risiken bewusst ist.

„Die Anleger wurden benützt"

Während in Deutschland neben den Banken auch die Emittenten aufgrund der Prospekthaftung geklagt werden, konzentrieren sich österreichische Anleger und ihre Anwälte vorerst auf die heimischen Vertriebspartner. „Es ist viel schwieriger, ein Unternehmen im Ausland zu klagen. Gegen die Emittenten können wir derzeit nur vorgehen, wenn sie selbst in Österreich im Vertrieb aktiv waren wie etwa MPC", sagt der Wiener Anwalt Benedikt Wallner, der bereits mehr als zwei Dutzend Fälle von Schiffsbeteiligungen bearbeitet.

„Und jeden Tag kommen weitere Fälle dazu. Das sind in der Regel risikoaverse Leute, die gar nicht spekulieren wollten und denen ihre Hausbank einen Schiffsfonds empfohlen hat", weiß er aus den Gesprächen mit den Klienten. Als Kommanditisten habe man die Anleger quasi zu Unternehmern gemacht. Auf die Risiken und den spekulativen Charakter der Fonds sei dabei nicht hingewiesen worden. Dabei sind Risikohinweise in den Kapitalmarktprospekten durchaus vorhanden, wie der Anwalt auf seiner Website anhand des Fonds „HCI Shipping Select 26" zeigt.

Dass die Privatanleger selbst die recht umfangreichen Prospekte studieren, wird von den Richtern eher nicht erwartet, wie bereits einige höchstgerichtliche Urteile der letzten Jahre zeigen (FONDS exklusiv berichtete). Benedikt Wallner vermutet hier Absprachen oder gar eine Art „Pyramidenspiel" hinter den Schiffsfonds, denn trotz der Überkapazitäten an Frachtschiffen seien diese intensiv vermarktet worden. Ein Gutachten des Wirtschaftsprüfers Manfred Biegler schlägt in dieselbe Kerbe: „Die Anleger wurden nur benützt, um wirtschaftlich eine Lücke zu schließen. Es bestehen ernsthafte systematische Zweifel an der grundsätzlichen Tragfähigkeit dieser Modelle." Sein Fazit: Möglicherweise müssen hier nicht nur Zivilgerichte tätig werden, sondern es sollte auch die Strafjustiz aktiv werden.

Eine der ersten Klagen aus Österreich in Sachen Schiffsfonds hat ein Klient von Benedikt Wallner gegen die Erste Bank wegen Falschberatung eingebracht. 116.000 Euro beträgt hier die Schadensumme. Der Prozess hat bereits begonnen, ein Urteil ist frühestens im Jänner zu erwarten.

Zuletzt wurde Anfang November ein erstes Musterverfahren gegen MPC Austria von Anlegern der „Merkur Sky" eingebracht, die 100.000 Euro abschreiben mussten.

Die Anleger der 14 „Bananenschiffe" hatten bis 26. November Zeit, über die Kapitalerhöhung abzustimmen. Eine Entscheidung lag zu Redaktionsschluss noch nicht vor. Wenn die Sanierung auch hier scheitert, müssen einige Schiffe verkauft werden, wenn nicht sogar alle, wie MPC zuletzt mitteilte. Mit dem Erlös von geschätzten 4 Millionen US-Dollar pro Schiff könnten gerade mal die Darlehen bei den Banken bedient werden. Für die Anleger bliebe dann aber voraussichtlich nichts mehr übrig.

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

Zahlreiche Schiffsfonds kamen nach 2008 in Zahlungsschwierigkeiten, die Anleger mussten neues Kapital einzahlen, um Insolvenzen zu verhindern, einige mussten ihr Investment bereits abschreiben. Auch in Österreich beginnen nun erste Verfahren der Anleger gegen die Vertriebspartner, die angeblich falsch beraten haben. Experten vermuten, dass bereits die Fonds-Modelle grundsätzlich nicht tragfähig gewesen seien.

Quelle: Thomas Müller, fondsexklusiv.at, Print-Ausgabe 04/2012