Vor dem Handelsgericht Wien wird nach eineinhalb Jahren Pause am Donnerstag das Beweisverfahren fortgesetzt 

In das Sammelklagsverfahren der rund 1500 geschädigten Alpine-Anleihen-Zeichner kommt Bewegung. Nach eineinhalb Jahren des Stillstands wurde am Dienstag am Handelsgericht Wien das Zivilverfahren mit neuer Richterin wiederaufgenommen und der Prozessfahrplan festgelegt. Ab Donnerstag werden erste Zeugen gehört, auch die Erörterung des Sachverständigengutachtens steht auf der Agenda.

Im Kern des von der Arbeiterkammer angestrengten Verfahrens geht es um drei von der Muttergesellschaft Alpine Holding AG emittierte Bonds im Gesamtvolumen von 290 Millionen Euro, die bis knapp vor der Insolvenz der Alpine Bau GmbH im Sommer 2013 von österreichischen Banken in großem Stil an Privatanleger verkauft wurden – obwohl insbesondere die vier kreditgebenden Großbanken gewusst haben müssten, dass bei der vom spanischen Baukonzern FCC kontrollierten Salzburger Alpine Bau keine Aussicht auf Rückzahlung mehr bestand. Denn Alpine war, wie sich im Insolvenzverfahren herausstellte, zum Zeitpunkt der Emissionen längst in finanzieller Schieflage.

Bereits 2009 Überschuldung

Bereits 2009 habe das Management die Mutter FCC mit Hinweis auf eine sprunghaft gestiegene Liquiditätslücke um Zuschüsse gebeten. Laut einem 2016 für das Konkursgericht erstellten Gutachten legte Alpine die Zahlungsunfähigkeit um Jahre zu spät offen; buchmäßig sei bereits 2009 Überschuldung vorgelegen, im November 2010 die Insolvenz. Die beklagten Kreditinstitute, Bank Austria, Raiffeisen Bank International, Bawag-PSK, Erste Bank sowie die Sparkasse Oberösterreich, bestreiten das.

Am Ende schauten rund 7000 Privatanleger durch die Finger, davon 1500 werden von der Arbeiterkammer im Zivilverfahren vertreten. Der Streitwert beläuft sich auf rund 15 Millionen Euro.

Zum Stillstand gekommen war das Sammelverfahren, weil der Nebenintervenient aufseiten der Banken, Wirtschaftsprüfer Deloitte, die vom Gericht bestellte Sachverständige, Manuela Ponesch-Urbanek von der Wirtschaftsprüfkanzlei TPA, als befangen bekämpfte. Das Oberlandesgericht lehnte die reihenweise eingebrachten Rekurse ab, mittels derer im Oktober 2017 die Befundaufnahme unterbrochen worden war.

Window-Dressing

Nicht zu verwechseln ist das Sammelklagsverfahren vor dem Handelsgericht mit den strafrechtlichen Ermittlungen, die im Gefolge der Mega-Insolvenz von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen das Alpine-Management, den Mutterkonzern FCC (der Alpine im Umfeld des Bilanzstichtags Liquidität zur Verfügung stellte, die kurz danach wieder zurückzuführen war), den Wirtschaftsprüfer des Konzerns sowie die Banken. "Window-Dressing" nennt Geschädigtenanwalt Michael Poduschka die Hilfszahlungen der Alpine-Mutter rund um den Jahresultimo.

Diese strafrechtlichen Ermittlungen wurden allesamt eingestellt. Während jene gegen die Banken auch endgültig ad acta gelegt wurden (der für ein Strafverfahren notwendige Vorsatz erhärtete sich nicht), kämpfen die Anleihezeichner noch beim Landesgericht für Strafsachen in Wien für die Fortführung der Ermittlungen gegen das Alpine-Management und den Mutterkonzern.

Über letztere Fortführungsanträge sei noch nicht entschieden worden, sagt der von der Arbeiterkammer beauftragte Rechtsanwalt Benedikt Wallner. Er nennt die Einstellung der Ermittlungen "rechts- und sachwidrig". Stein des Anstoßes ist ein Sachverständigengutachten, in dem attestiert wird, dass die Zahlungsunfähigkeit der Alpine Bau erst einen Tag vor Insolvenzeröffnung am 18. Juni 2013 eingetreten sei. Das widerspreche nicht nur klar dem Insolvenzeröffnungsantrag des Unternehmens, so Wallner, sondern auch den von Alpine über Jahre vorgenommenen Wertberichtigungen bei rund 20 Großprojekten im Ausland, die 2012 zu 434 Millionen Euro Verlust führten. Zweifel an der Expertise dieses Gerichtsgutachters hegt auch der Masseverwalter.  

Quelle: derstandard.at, (ung), 27. Februar 2019