Mit wortgleicher Begründung werden einander die Akten zugeschoben

von Ricardo Peyerl 

Es ist ein bisschen wie in der Schule: Keiner will an die Tafel kommen, und einige schreiben voneinander ab.
Wofür ist das Handelsgericht zuständig? Für die Geschäfte von Unternehmen und Gesellschaften, für Handelsgeschäfte also.

Ein solches erblickte der Wiener Rechtsanwalt Benedikt Wallner in der Abwicklung eines Kreditvertrages zwischen einer Bank (die eine Ges.m.b.H. ist) und einer Bürgin. Die vertrauensselige Frau hatte für den Kredit ihres Lebensgefährten unterschrieben, weil ihr vorgegaukelt worden war, es handle sich um eine reine Formsache. Sie wurde nicht aufgeklärt, zog keinen Nutzen aus dem Kredit und hätte ihn sich nie leisten können.

Nach dem Scheitern der Beziehung klagte sie die Bank auf Aufhebung des „unter Arglist“ zu Stande gekommenen Kreditvertrages (es gibt bereits höchstgerichtliche Judikatur zu dieser Unsitte).

Das Handelsgericht hat zunächst „seine Zuständigkeit zu prüfen und dabei in bürgerlichen Streitsachen von den Angaben in der Klage auszugehen.“

Danach sei das für die beklagte Bank kein Handelsgeschäft, weil in der Klage ja behauptet werde, dass keine Haftung aus dem Kreditvertrag bestehe.

Da „das Handelsgericht nur für Handelsgeschäfte und nicht für Nicht-Handelsgeschäfte zuständig“ sei, müsse die Klage zurückgewiesen und vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen (ZRS) eingebracht werden.
Zerknirscht beschreitet Anwalt Wallner diesen aufgezeigten Weg. Er hat etwas dazu gelernt ...

... und wendet sich das nächste Mal in einem identen Fall gleich an das ZRS.

Wieder geht es um die Anfechtung eines wahrscheinlich sittenwidrigen Kreditvertrages; und dabei handelt es sich, wie Wallner nun weiß, um kein Handelsgeschäft.

Das ZRS hat zunächst „seine Zuständigkeit zu prüfen und dabei in bürgerlichen Streitigkeiten von den Angaben in der Klage auszugehen.“ Danach sei das Geschäft „zweifelsohne ein Handelsgeschäft.“

Streitigkeiten darüber gehören aber, so wird der Anwalt jetzt belehrt, selbstverständlich - vor das Handelsgericht"
In der Zwischenzeit vergehen jeweils einige kostbare Wochen, und es laufen Verfahrenskosten auf, noch ehe der Prozess überhaupt begonnen hat.

„Das Oberlandesgericht hätte es in der Hand, ein Machtwort zu sprechen.“

ANWALT WALLNER

Quelle: KURIER | 12.09.2002 | Seite 12