Kein Schmerzengeld nach Unfall, doch Integritätsabgeltung zahlt

von Ricardo Peyerl

Die Höllenmaschine verfügte vom Werk aus über eine einfache, aber wirkungsvolle Schutzvorrichtung: Wollte man ihr zu nahe kommen, um eine Reparatur vorzunehmen, musste man dazu die Metallabdeckung entfernen. Und wenn das geschah, stelle sie sich von selbst ab. Freilich hält das den Betrieb auf. Deshalb wurde die Metallabdeckung der Ballenpresse durch Holzplanken ersetzt und der automatische Abstellmechanismus außer Kraft gesetzt. Die Wartungsarbeiten sollten eigentlich qualifizierte Techniker durchführen. Doch in dem niederösterreichischen Betrieb für Altpapierverwertung mussten ungelernte Hilfsarbeiter den gefährlichen Job übernehmen. Ohne Bedienungsanleitung, ohne vorherige Schulung. Sie hatten Angst davor, in die Grube unter der Ballenpresse zu klettern. Auch Alpha D. hatte Angst. Am 21. Juni 2000 musste der Sortierer die „Zähne“ des Ungetüms reinigen und Bindedrähte flicken. Zuvor schaltete er die Maschine ab. Doch während er noch hantierte, schaltete sie ein anderer wieder ein. Vielleicht nur ein Versehen, vielleicht dauerte es jemanden zu lang. Dem 42-Jährigen wurde der linke Arm abgerissen. Seither muss der gebürtige Afrikaner, der seit 1991 in Österreich lebt, Frau und drei Kinder von 900 Euro Versehrtenrente ernähren. Vorher verdiente er fast das Doppelte. Schmerzensgeld bekommt er keines (siehe Zusatzinformation). Doch steht ihm eine sogenannte Integritätsabgeltung zu. Die meisten Arbeitnehmer haben davon noch nie gehört, die Arbeitgeber schweigen sich meist darüber aus, und die Allgemeine Unfallversicherung hört davon gar nicht gern.

Vorhersehbar Alpha D., Rechtsanwalt Benedikt Wallner zur Seite, musste erst klagen. Nach fünf Jahren bekam er nun endlich 60.000 Euro Vorschuss, etwa 10.000 Euro werden noch folgen. Für einen Hilfsarbeiter viel Geld, für den Verlust eines Armes ein schwacher Trost. Wer die Maschine eingeschaltet hatte, während Alpha D. noch in der Grube stand, konnte nicht ermittelt werden. Aber im Urteil steht, was ihm sein ehemaliger Arbeitgeber angetan hat: „Den Verantwortlichen des Betriebes musste klar sein, dass die Beseitigung einer selbsttätig wirkenden Schutzeinrichtung und deren Ersatz durch Holzbretter und eine lediglich selbst fabrizierte Möglichkeit der Unterbrechung des Kontaktes einen Schadenseintritt ... wahrscheinlich macht ...“ Es ist von auffallender Sorglosigkeit die Rede. Die Verletzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften wurde als grob fahrlässig verurteilt, was für die Firma allerdings höchstens gewerberechtliche Folgen hat.

Recht: Klage ist nicht möglich

Schadenersatz Man kann den eigenen Arbeitgeber nicht auf Schadenersatz klagen, wenn man in seinem Betrieb verunglückt ist. Außer der Unfall wäre mit Absicht verursacht worden.

Abgeltung Bei grob fahrlässiger Außerachtlassung der Arbeitnehmerschutzvorschriften und erheblicher Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Integrität gebührt dem Verunglückten angemessene Integritätsabgeltung, die von der Unfallversicherung geleistet wird.

Quelle: KURIER vom 02.07.2005, Seite 10