Sachverständiger hält Zusammenprall bei 1,6 m Breite für unvermeidbar und vermisst Warnzeichen

von Ricardo Peyerl

Je langsamer, desto gefährlicher. Wegen des „Geigelns“. Unter einer Breite von zwei Metern ist ein Radweg „unzumutbar“, sagt ein Verkehrssachverständiger. Und doch gibt es solche Radwege (siehe Zusatzinformation). Auf einem an der engsten Stelle nur 1,6 m breiten s-förmigen Radweg in einer Unterführung in Wien-Döbling (Sickenberggasse) kam es zwischen zwei Radfahrerinnen zur Kollision. Frau F. erlitt eine Beckenprellung. Frau L. brach sich den Arm. Beide wurden angeklagt, „die im Straßenverkehr erforderliche Aufmerksamkeit außer Acht gelassen“ und eine Körperverletzung verschuldet zu haben. Beim Prozess im Bezirksgericht Döbling wurden Frau F., Rechtsanwalt Benedikt Wallner zur Seite, und Frau L. freigesprochen. Laut Gerichtsgutachter Univ.-Prof. Bernhard Wielke war die Kollision „unvermeidlich“. Aus dem Gutachten des Experten erfährt man, dass Radfahrer bei einer Geschwindigkeit von nur 5 km/h selbst auf einem zwei Meter breiten Radweg – in Wien sind sehr viele Radwege in dieser Breite markiert – kaum ohne Berührung aneinander vorbei kommen. Die durchschnittliche Lenkerbreite eines Fahrrades beträgt 70 cm. Man kann mit einem Fahrrad keine „geometrisch exakte Linie“ fahren, sagt der Sachverständige: „Allein durch die Tretbewegung ist eine gewisse Pendelbewegung unvermeidbar.“ An einem festen Hindernis kommt man daher kaum in einem „gezielten Seitenabstand“ von weniger als 30 cm vorbei. Macht zusammen mindestens einen Meter.

AMTSHAFTUNG Die beiden Radlerinnen fuhren mit 8 bis 10 km/h, „das ist für ein stabiles Fahren bereits ein niedriger Bereich“ (Gutachter), man braucht wegen des „Geigelns“ mehr Raum. Der Sachverständige merkt noch an, dass es im Gegensatz zur analogen Situation auf einer Fahrbahn kein Verkehrszeichen „Fahrbahnenge“ oder „Wartepflicht“ für eine Richtung gibt. Die Radlerinnen wurden nicht davor gewarnt, dass in der unübersichtlichen Unterführung zwischen zwei Brückenpfeilern jemand entgegenkommen könnte. Auf ihren Schadenersatzanspruch bleiben die verletzten Frauen sitzen. Es käme nur eine Amtshaftungsklage in Frage, aber das will sich keiner antun. Den engen Radweg gibt es nach wie vor. Der Radwegebeauftragte der Stadt Wien, Franz Blaha, war nicht in der Lage, zum Problem Stellung zu nehmen.

KURIER | 28.04.2005 | Seite 9